
WAS ZWISCHEN UNS WÄCHST
In der SOHO-Jahres-Ausstellung WAS ZWISCHEN UNS WÄCHST werden künstlerische und wissenschaftliche Positionen zusammengebracht, die Feminismus und Ökologie als verflochtene Kräfte sichtbar machen. Ausgangspunkt ist die Frage, wie wir inmitten der Klimakrise neue Formen des Zusammenlebens, der Fürsorge und des Widerstands entwickeln können.
Mit: Kollektiv AMO – Aki Namba, Mary Maggic, and Oi Pui Hoang | Lena Rosa Händle | Monica C. LoCascio | claudia* sandoval romero | Science Meets Art in künstlerischer Zusammenarbeit mit Veza Czyn, Lena Gaitani, Mehrta Shirzadian, Gihan Tubbeh, sowie Camille Belmin und Sofia Gutierrez Escoba
Eröffnung: 4.12. 2025, 19 Uhr
Presseführung: 3.12. 2025, 10 Uhr
Dauer der Ausstellung: 5.12. 2025 – 22.1. 2026
Öffnungszeiten: Mi-So, jeweils 15-20 Uhr
Feministische Perspektiven machen deutlich, dass die Abwertung von Natur und die Diskriminierung von Frauen und marginalisierten Gruppen eng miteinander verbunden sind und sich gegenseitig verstärken. Klimagerechtigkeit verlangt einen tiefgreifenden kulturellen Wandel, in dem Care (Sorgetragen), geteiltes Wissen und solidarisches Handeln eine zentrale Rolle spielen sollen, weniger die Suche nach technologischen Lösungen.
Das Kollektiv AMO (Aki Namba, Mary Maggic, Oi Pui Hoang) erkundet im Film “Cosmic Forest, Cosmic Home” in der Landschaft von Okayama, Japan die porösen Beziehungen zwischen den Wirklichkeiten – das Sichtbare und das Unsichtbare, das Vergangene und das Gegenwärtige, der Körper und das Land, das Land und die Zugehörigkeit. Die Erkundung nimmt Bezug auf Traditionen des Shinto, Buddhismus und Animismus, in denen das Bewusstsein und eine Verbindung zur Natur verkörpert sind. Das sind Traditionen, die in einer kapitalistischen Zeit zunehmend verblassen.
Lena Rosa Händle verweist mit ihren Collagen auf Symbiosen in Natur und Gesellschaft. Pilze, Flechten, Algen und Mikroorganismen zeigen, dass Leben nicht auf Konkurrenz, sondern auf gegenseitiger Hilfe basiert. Diese Netze der Verbundenheit dienen ihr als poetische Vorbilder für eine solidarische Zukunft.
Monica C. LoCascio arbeitet mit Fermentationsprozessen und Mikroorganismen zu Macht- und Arbeitshierarchien. Großformatige Skulpturen in Form von energetischen Portalen erforschen den Menschen und seine vermeintliche materielle Überlegenheit gegenüber der Pflanzen- und Tierwelt. Es ist ein Versuch, die Betrachter:in näher an eine Ökologie der Fürsorge heranzuführen, in der die Arbeit, die Praktiken und die Existenz unserer vielen symbiotischen Partner gewürdigt werden. Ihre Forschung hebt die Wahrscheinlichkeit hervor, dass sich alle vielzelligen Organismen auf der Erde durch Symbiose in einem Tanz der kooperativen Synergie und nicht durch brutalen Wettbewerb um die Stärksten entwickelt haben.
Die Rauminstallation „LebensverteidigerInnen aus Abya Yala1“ von claudia* sandoval romero erinnert an dekoloniale Kämpfe indigener Frauen in Lateinamerika, die das „Körper-Territorium“ und damit die Grundlagen des Lebens verteidigen. In Wien entsteht dazu ein kollektives Archiv des Widerstands, das sich auch in den Hochbeeten der SOHO STUDIOS spiegelt, wo seit dem Frühling eine Milpa wächst – Mais, Kürbis und Bohnen als Sinnbild gemeinsamen Arbeitens und Wachsens.
1 Abya Yala ist die dekoloniale Form der Namensgebung für Lateinamerika.
Die Gruppe Science Meets Art wiederum verschränkt wissenschaftliche Szenarien mit künstlerischer Forschung. In Workshops werden Geschlechtergerechtigkeit und Klimakrise zusammengedacht. Ökofeminismus erscheint hier als systemische Antwort auf die Ausbeutung von Natur und Menschen und als Einladung, situiertes Wissen und transdisziplinäre Ansätze in den Vordergrund zu stellen.
So entsteht in Sandleiten ein Geflecht von Stimmen, die lokale und globale Kräfte verbinden und einen Resonanzraum für feministische und ökologische Visionen entwickeln.
Und dieses Stimmengeflecht imaginiert, dass etwas zwischen uns wächst, was uns zusammenbringt, kittet und ein Bewusstsein schafft für ein Zusammenleben, das mit Care und Widerständigkeit zugleich gestaltet werden kann.
BIOGRAFIEN
Lena Rosa Händle lebt und arbeitet als bildende Künstlerin und Lehrende in Wien. Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit (queer-feministischen) Sichtbarkeiten und verbinden soziale Realitäten und kulturelle Codes mit utopischen Momenten. Dabei reflektiert sie kritisch soziale, historische und ökologische Gegebenheiten und denkt Visionen für eine lebbare Zukunft. Für ihre Arbeiten wurde sie mit zahlreichen Stipendien, Residencies und Förderungen ausgezeichnet und sie zeigte ihre Werke in Ausstellungen im In- und Ausland.
Monica C. LoCascio (geb. 1984) ist eine transdisziplinäre Künstlerin, die sich mit der Materialität unsichtbarer Phänomene beschäftigt. Ihre Werke sind Artefakte ihrer materiellen und theoretischen Forschung zu Erinnerung, Mikrobiologie, theoretischer Physik sowie Wissens- und Machtstrukturen. Sie kombiniert fermentierte Biomaterialien, wiederverwertete Fasern und traditionelle Handwerkstechniken mit industriellen und wiederverwerteten Materialien, um die Spannung zwischen der Fluidität und Verletzlichkeit der gelebten menschlichen Erfahrung und den Systemen und Institutionen, die ihr entgegenstehen, zu untersuchen. Sie begann ihre künstlerische Tätigkeit im Alter von 5 Jahren, als sie von der Zwillingsschwester ihres Großvaters das Häkeln und Sticken gelernt hat.
LoCascio bringt eine vielfältige internationale Perspektive in ihre Arbeit ein. Sie schloss ihr Bachelorstudium in Neuen Medien und Bildender Kunst am Emerson College in Boston mit Auszeichnung ab und erwarb einen Master-Abschluss in Kunst und Wissenschaft an der Universität für angewandte Kunst in Wien, ebenfalls mit Auszeichnung. LoCascio beschäftigt sich mit der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft und ist Mitglied des Vorstands der Medicine & Media Arts Initiative an der UCLA. Ihre Kunst wurde an bedeutenden Orten wie dem Naturhistorischen Museum in Wien, der Akademie der bildenden Künste in Krakau, dem AIL (Angewandte Innovation Lab) in Wien und der ERES Stiftung in München ausgestellt. Derzeit lebt und arbeitet sie in Wien, Österreich.
claudia* sandoval romero, eine* österreichisch-kolumbianische* Journalistin*, Forscherin* und transdisziplinäre Künstlerin*. Im Mittelpunkt ihres* Vorschlags steht eine kritische Reflexion über Archive und Gegenarchive, Fürsorge-Arbeit und das Streben nach epistemologischer Gerechtigkeit innerhalb der Kontaktzonen. Ihr* künstlerischer Ansatz ist geprägt von dem Wunsch, deskoloniale Räume für den Austausch zu schaffen und zu dringenden Debatten über Verlust, Trauer und Wiedergutmachung beizutragen.
Kollektiv AMO (Aki Namba, Mary Maggic, Oi Pui Hoang)
Das Kollektiv AMO (Aki Namba, Mary Maggic und Oi Pui Hoang) entstand aus der Liebe und dem Wunsch nach multidisziplinärem, multispäzies- und multitemporalem Storytelling. Nach dem Studium der Grafikdesign in Japan und der darstellenden Künste und Bildhauerei in Österreich ist Aki Namba eine multidisziplinäre Künstlerin, die verschiedene Medien miteinander verbindet und abstrakte Konzepte in visuelle Erzählungen umwandelt, wobei sie nahtlos die Grenzen zwischen verschiedenen Bereichen überschreitet. Mary Maggic ist eine chinesisch-amerikanische Künstlerin und Forscherin, die seit 2017 in Wien lebt und „Biohacking” und „Workshopologie” als kollektive Praktiken der Pflege und Wissensproduktion einsetzt, um die ökologischen Wunden der heutigen Zeit anzugehen. Oi Pui Hoang, ausgebildet in Molekularbiologie und studiert chinesische Medizin, begeistert sich für die Verbindung von Körper, Geist und Natur und die Integration wissenschaftlicher und ganzheitlicher Wissenssysteme.
Science Meets Art (SMA) ist ein Verein, der Perspektiven und Blasen aus Forschung, Kunst und Engagement mit unterschiedlichen Zielgruppen verbindet und in transdisziplinären thematischen Workshops, die emotionale als auch technische Aspekte berühren, jedem Publikum zugänglich macht.
Forschung- und Organisationsteam Science Meets Art (SMA)
Adriano Vinca ist Wissenschaftler mit Schwerpunkt auf Klimapolitik, Auswirkungen und Fragen der Gerechtigkeit. Er ist Gründer von Science Meets Art und hat über diese Plattform mehrere Projekte entworfen und organisiert. Seine künstlerische Erfahrung, oft verbunden mit Aktivismus und Underground-Kultur, umfasst Experimente mit verschiedenen Medien wie Musik, Comics und Clownerie.
Sofia Ballon Hamann ist eine interdisziplinäre und internationale Projektmanagerin mit Schwerpunkt auf pädagogischen Initiativen und kulturellen Verbindungen. Als Feministin und Menschenrechtsaktivistin setzt sich ihre künstlerische Produktion mit diesen Themen auseinander. Seit der Gründung von Science Meets Art ist sie auch für dessen Steuerung und strategische Partnerschaften verantwortlich.
Filipa Reis (NAMI) ist eine cross(in)disziplinäre Ökonomin, Forscherin, Facilitatorin und Künstlerin, die zu Themen der sozio-ökologischen ökonomischen Transformation arbeitet. Ihre Arbeit befasst sich damit, wie Wirtschaft neu gedacht werden kann, wenn sie durch Pluralität, künstlerische Methoden, verkörpertes Wissen, kollektive Vorstellungskraft und gerechtere Austauschformen informiert wird.
Camille Belmin ist Forscherin, Künstlerin, Kuratorin und Dozentin am IIASA sowie unabhängig tätig. Ihre Arbeit konzentriert sich auf Narrative und Kommunikationsformen, die sozio-ökologische Transformation prägen, sowie auf Bevölkerungs-, Umwelt- und Geschlechterfragen. Sie leitet Ecoslay, ein unabhängiges künstlerisches Forschungsprojekt, das die Grenzen der Klimawissenschaftskommunikation auslotet, indem es Sprache und Ästhetik der Popkultur mobilisiert, um unterschiedliche Öffentlichkeiten für ökologische Anliegen zu gewinnen. In ihrer künstlerischen Praxis arbeitet sie mit Installation, Lecture Performance und Text und kooperiert mit metabolischen Prozessen, die von Kompostierung und Fermentation bis hin zu sozialem Metabolismus reichen.
sofía gutiérrez escobar (FIA) ist Klima- und feministische Artivistin, verwurzelt in einer bäuerlichen Familiengeschichte in Kolumbien, geprägt durch Migration und urbane Realitäten. Sie hat sowohl lokale (Kolumbien) als auch internationale Klimagerechtigkeitskampagnen organisiert, wobei Kunst als Widerstandsmittel eingesetzt wurde. Von der Teilnahme an klimapolitischen Räumen bis hin zur Performance und zum Erzählen visueller Geschichten erforscht sie kollektives Gedächtnis, Fürsorge und radikale Imagination für Transformation. Derzeit lebt sie in Österreich, ist Teil dekolonialer und basisnaher Kollektive und baut weiterhin Brücken zwischen Gemeinschaften, Bewegungen und Kunst für Gerechtigkeit.
Künstlerische Beiträge SMA
Camille Belmin und sofia gutierrez escobar (FIA) gehören ebenfalls zum Team und präsentieren ihre künstlerischen Beiträge.
Veza Czyn ist Künstlerin, Kunstpädagogin und Forscherin mit Sitz in Wien. Ihre Arbeit ist teils Forschung, teils Experiment, teils Poesie.
Sie arbeitet kontextabhängig mit verschiedenen Materialien und Medien wie Zeichnung, Installation, Text und Video in Bezug auf Themen wie spekulative Fabulation, queere Ökologien, Ruination, äußere und innere Infrastrukturen, die Nachwirkungen von Gewalt, Konzepte wie das Unbewusste, Träume, Fehlleistungen, Verdrängung oder das Unheimliche. Sie interessiert sich dafür, die Dynamiken unbewusster Aktivitäten zu erkunden und wie diese das soziale Leben formen und strukturieren.
Mehr von ihrer Arbeit ist auf ihrer Website zu sehen: www.cargocollective.com/vezaczyn
Eleni Gaitani, bekannt als Small Souki, ist Musikerin, Musiktherapeutin und Mathematikerin aus Lamia, Griechenland, und lebt seit 2015 in Wien. Sie schöpft aus Blues, Jazz, Alternative Rock, Psychedelic Grunge, Progressive Metal, Poesie und Spoken Word und schafft immersive Umgebungen, in denen das Publikum reflektieren und interagieren kann. Sie leitet Small Souki & The Big Trouble Band, die „Heroine Music für sozial-politisch belastete Themen“ produziert, sowie Manitari, ein Improvisationsprojekt, das Publikumsstimmen und Klangexperimente einbezieht.
Ihre Arbeit reicht von Sound-Art mit Field Recordings über Musiktherapie-Workshops (Techniken wie Alexander und Gruppenimprovisation) bis hin zu Bildender Kunst sowie Beiträgen zu Chören, Oper und Jugendworkshops.
Mehrta Shirzadian ist Performerin, Multimedia-Künstlerin und künstlerische Forscherin mit Hintergrund in Molekularbiologie, Mathematik und Informatik.
Ihre Arbeit beginnt mit dem Körper als Ort des Wissens, der Verletzlichkeit und des Widerstands. Durch Performance und Installation erforscht sie, wie Anatomie mit ökologischen und mikrobiellen Systemen verflochten ist und die verborgenen Beziehungen zwischen inneren Prozessen und äußeren Umgebungen sichtbar macht. Sie versteht Verkörperung sowohl als persönlich wie politisch – als einen Weg, den kapitalistischen Logiken von Produktivität und Entsorgbarkeit zu widerstehen.
Derzeit studiert sie Art & Science an der Angewandten und schafft Räume, in denen Wissenschaft und Poesie in transformative Akte der Fürsorge und Interdependenz verschmelzen.
Gihan Tubbeh ist eine peruanisch-palästinensische Fotografin und bildende Künstlerin, die zwischen Peru und Europa arbeitet. Ihre Praxis kreist um die Poetik der Zeit in Bezug auf Territorium, Identität und Erbe. Tubbehs Arbeit widersetzt sich festen Narrativen und nimmt Ambiguität als Raum der Offenbarung an, in dem das Zufällige zur Wahrheit werden kann.
In den letzten Jahren hat sich ihre fotografische Praxis auf Zeichnung, Video und Skulptur ausgeweitet, wodurch sie die Spannungen zwischen Körper und Sprache erforschen konnte. Sie hat internationale Anerkennung erhalten, darunter den ersten Platz beim World Press Photo, Photographer of the Year bei Pictures of the Year International (POY Latam) und ein Stipendium der Magnum Foundation, unter anderem. Gihan gibt regelmäßig Workshops für lokale und internationale Fotograf:innen im Rahmen von Fotofestivals, Wettbewerben und anderen Veranstaltungen.
© Sujet: Lena Rosa Händle, Grafik: Caterina Krüger
