
Sandleitner ANDACHTSBILDER 2025
Was man in Sandleiten besonders gut kann
Wer diese Frage stellt – „Was können Sie besonders gut ?“ – erhält eine große Bandbreite von Fähigkeiten und Kenntnissen, die weit über den pädagogischen Begriff von Bildung hinaus gehen.
Es sind „Qualifikationen“, die man eher nicht in der Schule oder gar auf einer Universität lernt und auch im Bildungsangebot der Erwachsenenbildung finden sich keine Kurse zum Klettern auf die Bäume bis ganz hinauf oder mit der Straßenbahn spazierenfahren oder blöd dorthin schauen wo nichts ist.
Es geht wohl eher in die Richtung des „Alten-Grauen-Knaben“ in Flann O´Brien Buchs „Irischer Lebenslauf“:
„Es gab im ganzen Landstrich niemanden, der sich mit ihm messen konnte, wenn es um Springen, Stöbern, Fischen, Lieben, Trinken, Stehlen, Kämpfen, Schinken-von-der-Schnur-Schneiden, Viehtreiben, Fluchen, Spielen, nächtliches Einbrechen, Jagen, Tanzen, Prahlen und Stockfechten ging.“(S. 81)
Die im Kongresspark, Pensionistenklub und auf der Straßen Sandleitens Befragten und Porträtierten können zusammen auch sehr viel, – sehr viel unterschiedliches.
Die Kleineren zeichnen die Mama oder „Anime Luffy“ oder können sich so gut verstecken dass sie keiner findet. Andere wiederum sind gut im Fangen oder können einen Purzelbaum.
Das können ältere Semester eher nicht (mehr). Sie können aber immer noch Modell sitzen oder Gruppen zusammenhalten, Struktur ins Chaos bringen oder fettfrei japanisch kochen. Psychologisch Veranlagte verstehen sich im Gefühle lesen, Hineinschauen in andere Menschen (das geht offenbar auch ohne Studium) und können sogar die Aura von anderen sehen.
Die Sportlichen machen Kampfsport, die etwas älteren Sportlichen Bauch- oder Volkstanz oder Maschinenfahrradfahren.
Quatsch machen sollte eigentlich jede/r können, sofern er oder sie es nicht irgendwann mal verlernt hat. Es gibt also Fähigkeiten die man gar nicht lernen muss, vermutlich auch nicht lernen kann, die man aber verlernen kann. Das haben wir Befrager u.a. gelernt. Auch Leute anquatschen, blöd anreden und nichts ernst nehmen gehört eventuell in diese Kategorie.
Interessant sind auch jene Fertigkeiten zu denen man andere braucht. Manche blühen erst im geselligen Gespräch oder beim Streit schlichten so richtig auf.
Eine andere Kategorie wäre learning by doing: einen Kurs im Skateboardfahren-Lernen zu absolvieren wäre uncool, auch gut, schnell und genau malen braucht vor allem Übung. Fürs richtige Aufräumen gibts zwar Bücher, aber besser ist es wenn man es einfach macht.
Und dann gibt es jene Fähigkeiten die durchaus von Vorteil sind wenn man sie kann, wie früh aufstehen oder alten Leuten helfen. Überteiben sollte man es nicht, denn wer das Helfen fast zu gut kann, könnte dabei ganz auf sich selbst vergessen. Andere haben das sozusagen verinnerlicht und können zwar fast alles, aber nichts richtig gescheit. Auch nicht immer optimal. Da immer die richtige Balance zu finden ist jedenfalls eine eigene Kunst.
Gut haben es die, die noch auf Gott vertrauen oder sich selbst vor Gericht verteidigen können. Das spart Geld, – vor allem wenn man wenig hat.
So könnte man bei jedem einzelnen Porträt ins Sinnieren kommen und vielleicht fragt man sich an dieser Stelle auch, was man selber an kleinen unscheinbaren Fertigkeiten besitzt, die einem helfen durchs Leben zu kommen oder die einem helfen Freude am Leben zu haben.
Für dieses Projekt wurden 2024 und 2025 insgesamt 50 Sandleitner*innen – im Kongresspark, im Pensionist*innenklub und auf der Straße – befragt und gezeichnet.
Ein Projekt von Peter Arlt in Partnerschaft mit Verein SOHO in Ottakring | Zeichnungen: Hannah Fras | Gestaltung Plakat: Caterina Krüger
Zu sehen während des 100 Jahre Sandleiten-Fests am Freitag und Samstag, jeweils 14-20 Uhr
vor den SOHO STUDIOS unter den Arkaden, Liebknechtgasse 32
Kooperation: wohnpartner. Gefördert von Bildungsgrätzl West und Ottakring Kultur.
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Peter Arlt, *in Linz, lebt in Wien Soziologe im öffentlichen Raum:
Aktionen und temporäre Bauten; Stadtforschung; Quartiers- und Leerstandentwicklung.
Näheres und Weiteres: www.peterarlt.at
Hannah Fras ist Künstlerin und absolvierte 2024 an der Kunstschule Wien ihr Diplom mit Malereien zum Thema „Sandleitenhof, ein Begegnungsort“.
Foto © Arlt/Fras/Krüger